13-Das tunesische Rad



Die Straße nach Kebili ist durch das Gewitter überschwemmt.

Er steht mit seinem Kollegen neben mir und spricht direkt Englisch. 
Seine Augen sind sehr offen. Er ist mit einem großen LKW unterwegs, sie haben eine Art Bagger/ Bulldozer geladen und wollen diesen abladen und mit beiden Fahrzeugen queren und er schlägt vor mich mitzunehmen 🙏🏻
Alle sind ein bisschen nervös. 
Die Fahrradtaschen sollen in den LKW, das Fahrrad auf die Schaufel des Bulldozers. 
Sein Kollege fährt den Bulldozer und ich sitze neben ihm. Er ist angespannt. Als das Wasser beginnt, dreht der Bulldozer….er verliert die Kontrolle für einen Moment über das Fahrzeug. Die Schaufel geht runter. Ich mache das Handy aus. Der Bulldozer dreht weiter und er verliert das Rad an der Kante…..

Ich denke „Das war’s ….Good bye my Bike 🚲“

Er bleibt stehen. Ich leg ihm kurz die Hand auf die Schulter. Er atmet durch.
Ich überleg, ob ich runtersteige und versuche das Rad zu holen. Er schüttelt den Kopf, ich soll sitzen bleiben. Es fährt ein Auto mit mehreren Männern vorbei. Zwei steigen aus….und ziehen zusammen Rad wieder auf die Schaufel. 🙏🏻
Einer von den Männern kann anscheinend den Bulldozer fahren, die beiden wechseln und wir fahren auf die andere Seite. 

Wir holen das Rad runter….tja was soll ich sagen….nun habe ich ein tunesisches Rad 😅😂 Es ist ziemlich demoliert. Gangschaltung, Bremse, Licht, Kette ab, Lenker verbogen und ein Griff kaputt. Erstmal nicht fahrtüchtig. 

Er….Wajdi heißt er, meint, nun sei ich sein Gast, ich kann mit zu seiner Familie kommen, sein Bruder kann das Rad reparieren.

Ok, super 😁
Sie laden den Bulldozer wieder auf und dann geht es los. Ich sitze zwischen Wajdi und seinem Kollegen. Sein Kollege strahlt mich immer mal wieder an. Zeigt ein Bild von seinen kleinen Kindern. 

Mit Wajdi ist die Konversation ganz leicht. Er hat einen sehr offenen Geist. Ich mag ihn. 

In Kebili müssen sie mit den Stromleitungen aufpassen, um nicht hängenzubleiben, sein Kollege navigiert ihn immer wieder nach rechts und links. 
Wir bringen den LKW zur Firma und laufen zu seinem Haus. 
Ich darf in seinem Zimmer nächtigen, er schläft auf dem Flur 😅 und eine Dusche gibt es auch 🙏🏻

Morgen schauen wir weiter…..




Sein Bruder schaut sich das Rad an, ganz genau und sieht was alles reparaturbedürftig ist. Den Lenker kann er nur ein bisschen biegen, sonst bricht er und eine Bremse ist nicht zu retten. 
Eine reicht ja auch, die Berge sind durch. 
Kette kriegt er direkt hin und auch das Licht wieder zum Laufen….

Er macht sich in der Garage an den Rest.

Ich sitz im Hof und schau der Mama zu wie sie Chilischoten trocknet und Datteln sortiert. Sie haben irgendwo eine kleine Plantage. 

Nachmittags fahre ich mit Wajdi mit ….
Zwei Autos sind stehen geblieben und müssen abgeschleppt werden. Und eines muss Richtung Gabès und das andere nach Tozeur. Zwischendurch springen in wir in Cafés und holen uns einen Kaffee und weiter geht’s. 
Das Arbeitsleben ist hier tägliches Abenteuer.
Die Rampe vom LKW ist ist völlig verrostet und er bekommt sie kaum rausgezogen, er kann sich jedoch behelfen. 
Und das mag ich hier so. Alles ist alt und kaputt, doch die Menschen sind selbstwirksam. 

Ich bin gerne mit ihm zusammen, wir sind entspannt miteinander, er spricht offen und hält nichts zurück. Ich auch nicht. 

Am nächsten Morgen zeigt mir sein Bruder das Rad. Die Gangschaltung ist zwar äußerlich kaputt, geht aber wieder. Den Lenker hat er etwas nach unten gedreht und bei den Griffen mit Klebband innen nachgeholfen. Auch meine Kabel an den Gepäckträgern hat er zusätzlich mit grünen und roten Abklebband fixiert. Und das Fahrrad geputzt. Es war nicht nur verstaubt, auch verschlammt nach dem Unfall. Ich bin total gerührt. Er strahlt. 

Mir erscheint das Rad nach dieser ganzen Fürsorge viel wertvoller als vorher. 💗🙏🏻

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