Welcome in Morocco - Teil 2

 

 

Am nächsten Morgen geht es weiter. Sehr bald schließt sich uns ein Hund an. Er läuft ein paar Meter und kommt wieder zurück. Ein Aufpasser?

Wir laufen bestimmt drei Stunden, bis wir zu dem Straßenstand von Ohmad kommen.

Er verkauft Wasser, Saft und Kekse.  Er spricht ganz gut Englisch und wir trinken frisch gepressten Orangensaft. Herrlich.

Sein Hund ist über unsere Begleitung etwas aufgebracht und versucht ihn immer wieder zu vertreiben, doch unsere Begleitung bleibt ganz gelassen.

Ohmad schlägt uns vor, bei seinem Bruder Abdulah auf dem Gelände zu übernachten, dort seien wir sicher. Von dort könnten wir zu den großen Wasserbecken gehen.

Ja. Es wird schon wieder heiß.

Nach einiger Zeit kommen wir zu einer Ansammlung von Autos, Touristen, Händler, Ständen, Taxis und Parkeinweisern.

Ein großes Schild : "Paradise Valley" weist den Weg auf und über den Berg ins Paradies.

Ich bin etwas ratlos bei diesem Menschenauflauf. Da tritt ein Mann hervor und stellt sich als Abdulah vor.

Sein Bruder Ohmad hat ihn schon angerufen. Er zeigt uns seinen Platz und meine Tochter ist sofort begeistert.

Der Platz liegt ein paar Hundert Meter unterhalb der Straße und ist nicht einsichtig.

Es gibt 3 Hütten und in einer können wir schlafen. Sie hat sogar zwei Räume. Der hintere Raum hat eine Matratze und ist relativ dunkel. Der vordere Raum hat ein offenes Fenster, einen Vorhang als Tür, Tisch und zwei Bänke, auf denen man auch liegen kann. Hier werde ich schlafen.

 

 

 

 

Der ganze Platz ist durchdacht gestaltet. Mit einfachen Materialien hat er eine natürliche Schönheit.

 

Beim genauen hinschauen, findet sich in vielen Ecken Müllansammlungen und schmutziges Geschirr. Der Garten sieht verwildert und nicht gegossen aus, obwohl es anscheinend ein Bewässerungssystem gibt.

Es gibt kein fließendes Wasser, aber etwas Strom. Eine Toilette befindet sich hinter Bambusmatten im entlegenerem Teil. Es ist eine Bodentoilette zum drauf stellen. 

 

Wir wollen nachmittags noch zu den Wasserbecken. Dafür müssen wir einmal über den Berg.

Direkt am Parkplatz  hat Abdulah seinen Stand und verkauft dort Wasser, Orangensaft und Süßigkeiten.

 

Ich kann schlecht schätzen wie alt er ist.

Seinen Zähnen nach zu urteilen, müsste er schon älter sein. die vorderen Zähne fehlen.

Wie die meisten Marokkaner ist er sehr schlank und hat eine feste Haut. Sein Blick ist warm, fast demütig.

Er hat vom Wesen etwas sehr weiches und zurück haltendes.

 

Entlang des Weges zu den Wasserbecken reihen sich dann die Wasser- und Keksverkäufer.

Sie preisen in allen möglichen Sprachen tüchtig ihre Waren an. " Madame, Wasser? Es ist auch gekühlt..!" "Madame!" " Madame!"

Auf der anderen Seite des Berges reihen sich die improvisierten Restaurants. Plastikstühle und Tische stehen im Fluss. Teilweise gibt es auch angestaute Flussbereiche, wo man unter den Augen der anderen Gäste baden kann. 

Trampelpfade führen durch die offenen Restaurants,.... da muss es noch mehr geben.....

Wir laufen über eine weitläufige Ebene und treffen dann irgendwann auf den Fluß, der den Berg herunter kommt und durch verschiedene Becken fließt. Ich bin mittlerweile schon wieder gar.

 

Überall Menschen, auch viele leichtbekleidete Touristen auf den Felsen und in den Wasserbecken.

 

Für meinen Geschmack zu viele Menschen, zu viel Geschrei, zu viel Müll.

Ich muß trotzdem ins Wasser...

 

Meine Tochter klettert schon weiter. Die Felsen sind rutschig, die Absätze in die nächsten Becken hoch.

Ich kühle mich erstmal ab und hole dann unsere Klamotten und gehe mit Schuhen außen entlang.

Ich will nicht im Badeanzug herum klettern.

Im oberen Bereich des Flusslaufes sind kaum noch Menschen. Von weiten ist lautes Gejohle zu hören. Ein paar Jungs springen aus größerer Höhe in die Wasserbecken.

 

Es ist wahnsinnig warm, über 40 Grad.

Wir baden in kleinen Wasserbecken. In unserer Nähe ist eine Gruppe von 5 Jungs, die angeboten haben auch weiter gehen zu können, doch wir winken ab.

Alles ok. Genug Platz. Sehr höflich.

 

Wir ziehen uns in den Schatten von einem großen Felsen zurück. Meine Tochter schläft ein.

Ich rutsche ein paar mal aus, als ich versuche vom Wasserbecken wieder auf den Felsen zu kommen. Ich komme mir sehr unbeholfen vor. Die Hitze schafft mich. Nach zwei bis drei Stunden will ich da weg. Ich muß raus aus der Sonne, obwohl wir im Schatten des Felsens sind.

Mir graut es vor dem Rückweg.

Auf dem Weg kommt meine Tochter in Kontakt mit vier jungen Marokkanern, zwei Mädchen und zwei Jungs aus Agadir. Eins von den Mädchen trägt T-Shirt und kurze Hose, keine von beiden ein Kopftuch.

Sie haben ein Zelt zum Sonnenschutz mit und machen gerade ein Taijine. Gemüse im Tontopf.

Sie laden meine Tochter ein, mit ihnen zu essen. Sie zögert. Ich ermuntere sie. 

Ich werde auch eingeladen, doch ich möchte zurück zur Hütte.

Meine Tochter ist erst unsicher, ob sie den Weg allein findet?

Sie kann ja auch fragen... und soviele Leute laufen über den Berg..... ja, sie will bleiben.

 

Im "Buden-Dorf" spricht mich von weiten ein Mann an und lädt mich ein,  in seinem Garten unter den Bäumen zu verweilen. Er ist sehr freundlich, ruhig und wach. Wir plaudern ein wenig.

Ich muß zurück. Völlig überhitzt komme ich in unserer Hütte an. Ich trinke viel und kann nur liegen und schwitzen.

Ein unangenehmer Zustand. Ich liege eine Weile.

Ich mache mir doch Sorgen um meine Tochter.

Habe ich sie überredet und überfordert? Sie achtet nie auf Wege. Habe ich ihr Tuch mitgenommen, das sie auf dem Hinweg um die Beine hatte? Muß sie mit nackten Beinen allein zurück laufen?

 

Ich will am liebsten nach ihr schauen. Wieviel Zeit ist vergangen? 

Vielleicht kommt sie mit den anderen zurück.

 

Draußen vor der Hütte höre ich einen Mann relativ laut deutsch reden. Er telefoniert.

Irgendwann kommt er zu mir in die Hütte rein. Ein wohlbeleibter Mann um die 60.

Er ist in der Begleitung der Freundin von Abdulah da. Sie arbeitet im Spa-Bereich in einem Hotel in Agadir.

Er hat sich mit ihr angefreundet, bzw. sich in sie verliebt.

Er schaut sich den Platz an und will Abdulah helfen, etwas "Vernünftiges" daraus zu machen. Was auch immer das heißt und wer das auch immer möchte.

Ich erfahre von seinen Machenschaften in seiner Familie, seinen Machteinfluss in der Welt und seinen hochkarätigen Verbindungen in die Politik.

Dann geht er mit der Freundin zum Fluß runter.

Eine dynamische, herzliche Frau, vielleicht Mitte 30, mit kurzem Haar, kurzer Hose und ohne Kopftuch.

 

Ich dämmere wieder weg und als der Druck wegen meiner Gedanken um meine Tochter zu groß wird,  mache mich auf dem Weg.

Am Tor kommt sie mir fröhlich entgegen. Alles kein Problem. Sie hatte einen wunderbaren Nachmittag mit den vier Leuten.

 

Wir gehen wieder in die Hütte. Bald darauf kommt Abdulahs Freundin mit einem Obstteller zu uns. Sie und der Deutsche verabschieden sich und fahren wieder nach Agadir.

 

Später gehe ich mit meiner Tochter zum Fluß unterhalb des Geländes und wir finden dort das eigentliche Paradies.

Keine Menschen und kaum Müll. Meine Tochter schwelgt in Freude.

 

Ich kämpfe am Abend innerlich mit mir. Es fällt mir schwer die Form von Tourismus draußen vor dem Tor anzunehmen. Es fällt mir schwer, den Müll zu akzeptieren.

 

In Taddart hat mich der Müll auf der Straße nicht so gestört, auch da gibt es fast einen Ring bis über den Stadtrand hinaus und dann hört es langsam mit dem Müll auf.

 

Wir bleiben 3 Nächte bei Abdulah. Den ganzen Tag sind wir unten am Fluß, im Paradies.

Es gibt nichts zu tun, es ist heiß.

Wir schwimmen im Fluß, liegen im Schatten der Felsen. Meine Tochter schläft viel. Wir reden wenig.

 

 

Einen Nachmittag kommt ein junger Mann an unsere Wasserstelle. Groß und schlaksig, vielleicht an die 20 Jahre alt.

Wir sitzen im Schatten und beobachten ihn. Er taucht hin und her, läßt sich von den Fischen beknabbern und im Wasser treiben.

 

Irgendwann geht meine Tochter auch schwimmen. Muß ich aufpassen?

Nach einiger Zeit sind beide plötzlich aus der Sicht verschwunden. Ich werde etwas unruhig, als die Zeit voran schreitet. Ich verlasse meinen Platz und gehe in die Mitte des Flusses auf einen Felsen in der Sonne, da taucht meine Tochter hinter einem Felsen wieder hervor und kommt raus.

Sie konnten sich nicht unterhalten, meine Tochter spricht kein Französisch, er spricht kein Englisch. Sie fand ihn sowieso komisch. Außerdem interessiert er sie auch nicht. Meine Tochter ist ganz klar.

 

Irgendwann gehe ich auch wieder Schwimmen. Ich bleibe mit dem jungen Mann auf höflichen Abstand und wir schauen uns immer wieder freundlich an.

Mein Französisch ist miserabel, doch er scheint aus dem Buden-Dorf hinter dem Berg zu kommen.

Familie und Geschwister leben auch dort. Soweit verstehe ich ihn.

Er kommt anscheinend öfter hierher zum Schwimmen. Das Gespräch ist bald erschöpft. 

Wir tauchen um die Wette. Ich verliere natürlich. Heimspiel für ihn.

Jeder pülscht im Wasser.

Er taucht wieder und schwimmt dabei knapp an mir vorbei. Ich weiche etwas zurück. 

Dann taucht er irgendwann direkt auf mich zu, küsst mich aufs Bein und schwimmt weg.

Als er wieder auftaucht und mich anschaut, schüttel ich mit dem Kopf.

Ich bleibe noch ein bißchen im Wasser und gehe dann irgendwann raus.

Er schwimmt noch länger, geht weg und kommt auch nicht wieder.

 

 

Abdulah kommt meist sehr spät zum Platz zurück.

Eigentlich nur zum Schlafen. Müde sieht er dann aus.

Sein Bruder Ohmad kommt auch spät. Beide schlafen in der kleinen Haupthütte auf den Bänken.

Sie ist Küche, Wohn- und Schlafzimmer.

Abdulah zieht es schon in der Frühe wieder zu seiner Bude und er entschuldigt sich fast. Als wir abends ins Buden-Dorf zum Essen gehen, wirkt er erleichtert.

 

Eines Morgens, meine Tochter schläft noch, sitze ich auf einem kleinem Höckerchen in der Sonne und schreibe.

Ohmad wäscht sich die Hände und das Gesicht ausgiebig und wandert auf dem Gelände  hin und her. Er läßt seinen Blick über den Platz schweifen. Wir kommen ein bißchen ins Gespräch.

"Wenn viele Menschen kommen, lohnt sich das Geschäft am Straßenrand, doch oft sei es mühselig und mager" erzählt er.

Noch mehr Gäste wollen sie garnicht, dafür sei ihr Platz zu unordentlich. Sie schaffen es einfach nicht. Und sie wollen auch ihre Ruhe. Mit uns sei es ok.

 

 

 

 

 

Wir leben in einer Zwischenwelt bei den beiden. Wir gehören nicht zum Touristenstrom draußen und wir gehören nicht zu ihnen. Doch die Leute im Dorf scheinen uns wahrzunehmen.

Das bestätigt sich auch ein paar Tage später. 

Bei einer Mitfahrgelegenheit 20km entfernt Richtung Marrakesch , weiß der Fahrer, das wir bei Abdulah und Ohmad gewohnt haben.......

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Kommentare: 2
  • #1

    Stefan (Sonntag, 17 September 2017 14:31)

    THX ��

  • #2

    König,Wolfram (Sonntag, 17 September 2017 16:39)

    Hallo Cordula,
    Dein Bericht ist wirklich spannend zu lesen.Die Spannung vermittelt sich mir aus einer bestimmten Unsicherheit,was wohl in den nächsten Situationen und Momenten passieren wird.
    Du bist eine Grenzgängerin zwischen den Sicherheiten,die wir im täglichen Leben brauchen,und dem Zulassen von Unsicherheiten, die durch Deine Imprvisatioskunst entschärft werden.Dabei hilft Dir wohl auch ein unerschütterliches Menschenvertrauen (trotz bestimmt auch weniger guten Erfahrungen).Schön zu lesen,wie Du den Balanceakt zwischen dem Zulassen von Selbstbestimmung für Deine Tochter,und der Sicherheit und dem Schutz den Du ihr geben willst,meisterst.
    Du bist schon eine außergewöhnliche Frau,
    Wolfram