Light & Happiness in Tunesien

Ich fliege nach Tunesien. Ich möchte dort Faiçal aus Douz kennenlernen. Er führt Gruppen durch die Sahara. Ich bin über Facebook auf ihn aufmerksam geworden. Mich hat Afrika in seinen vielen Facetten schon immer interessiert und auch die Wüste. Doch dafür brauch ich jemanden ortskundigen und Faiçal scheint mir der Richtige für meine Idee mit Gruppen in die Wüste zu gehen. 

 

Wir schreiben vorher... nicht viel und zweimal telefonieren wir über Video Chat. Es gibt eine Einladung von seiner Familie, da ich 3 Tage bevor er Zeit hat, anreise. Ich wollte langsam ankommen, um etwas von Tunesien mitzubekommen. Doch das führt zu Irritationen bei meinem Wüstenführer und er lädt mich ein am traditionellen Leben seiner Familie teilzuhaben. Das nehme ich sehr gerne an.

 

 

Bei der Gepäckkontrolle am Flughafen gibt es Schwierigkeiten. Die Gläser mit Marmelade, Honig und Senf als Gastgeschenke werden aussortiert, da sie als Flüssigkeiten gelten. Ich soll den Rucksack als Gepäckstück  mit den Gläsern aufgeben. Die Zeit wird knapp....alle Mitarbeiter am Flughafen sind sehr nett. Ich renne zurück und passiere erneut die Gepäckkontrolle und komme außer Atem am Gate an, in der Annahme, das alle schon im Flieger sitzen. Fehlalarm. 

 

Eine Tunesierin lacht mich an. Sie ist vielleicht 10 Jahre älter als ich und mit einer 80 jährigen deutschen Dame unterwegs. Wir scherzen miteinander und wie es der Zufall will, sitzen wir im Flieger nebeneinander.

Und es fängt gleich lustig an. Die alte Dame sitzt am Gang und flirtet mit einem jungen Tunesier auf der anderen Gangseite, der neben seiner hübschen Freundin sitzt. 

Die Tunesierin neben mir wirft ein, das nicht jeder alles lustig findet. Da meint der junge Mann verschmitzt: Sie kriegt Rente!!!

Wir fallen alle in schallendes Gelächter. Irgendwann schwenkt er um: Geld bedeute ihm nichts, das sei wahre Liebe!!! 

Die alte Dame strahlt und alle haben Spaß, herrlich.

 

Die Tunesierin hat 30 Jahre in Deutschland gearbeitet und nun nimmt sie die Dame mit in ihre Heimat.

Sie sagt, sie ist ihre zweite Mutter. Als sie nach Deutschland kam, haben sie in einem Haus gewohnt. Sie waren wie eine Familie. Sie hat ihr immer geholfen. Jetzt revanchiert sie sich. 

Die Dame hat Alzheimer. Die eigenen Kinder sind überfordert. Nun haben sie nur den Hinflug nach Tunesien gebucht und sie darf bleiben solange sie will.

Ich habe Tränen in den Augen.

 

Landung auf Djerba. Kleiner Flughafen. 

Ali erkennt mich sofort. Er ist der Onkel von Faiçal, kaum älter als er, Mitte 30. Er bring mich zu der Familie nach Douz. 

Kaum haben wir den Flughafen verlassen, keine Spur mehr vom Pauschaltourismus. Wir stehen lange für die kleine Autofähre von Djerba zum Festland an. Ich steige aus und laufe vor und zurück und genieße das Straßenleben, die milde Sonne und das Meer.

Ali spricht ein ganz bißchen Englisch. Wir reden den ganzen Abend nicht viel und entspannen uns immer mehr miteinander. 

Auf dem Festland fahren wir lange durch Olivenhaine und flaches Land. 

Es ist warm und wir haben die Fenster offen. In der Ferne tauchen Berge auf, Ziegenherden ziehen vorbei und kleine Dörfer bei Sonnenuntergang.

 

 

Oben in den Bergen, die Sonne ist gerade untergegangen, machen wir Pause. Wir teilen Obst und belegte Knäckebrote und fahren bald weiter. In der Ferne gewittert es. Immer wieder erhellen Blitze in den Himmel. Es ist eine sehr besondere Atmosphäre.

 

Unser Kontakt ist leise und zart. Immer mal wieder fragt Ali: How are you? 

 

Als die Wüste beginnt, ist es dunkel. Ein LKW Fahrer warnt uns vor einer Herde Dromedare, die die Straße queren. Wir fahren langsam und halten an, als wir die ersten Tiere sehen und laufen ihnen in der Nacht hinterher. Es sind viele Weibchen mit ihren Kleinen. Sie machen lustige Geräusche. Ali jagt sie und hat Freude wie ein Kind. Wir lachen unbeschwert. 

 

Die Familie wohnt noch ein ganzes Stück hinter Douz in einem kleinem Dorf.

Wir kommen durch eine Tür in einer Mauer in einen Garten aus Sand und Palmen.

Die Schwestern von Faiçal kommen mir aufgeregt entgegen gelaufen und es gibt eine herzliche Begrüßung mit ihnen und der Mutter.

Ich verbringe die nächsten Tage mit ihnen und es fühlt sich wie eine Ewigkeit an. Ich tauche ein in ihr einfaches Leben aus Liebe und Frieden. 

Es ist warm. Das Leben findet auf der Terrasse statt. Es wird gekocht und gegessen. Am nächsten Nachmittag laufe ich mit den Schwestern im Dorf herum und oben auf einen Hügel.

 

 

 

Wir sprechen einfaches Englisch, lachen und berühren uns viel. Sie sind 18 und 28 Jahre alt, ähnlich alt wie meine Töchter.

 Mich berührt ihre Offenheit. Ich gebe der älteren Schwester und der Mutter Shiatsu und abends fahre ich mit Ali nach Douz. Ich tausche Geld und besorge ein langes Kopftuch für die Wüste.

 

Dann fahren wir mit dem Auto raus in die Sahara. Der Mond steht schon am Himmel und die Sonne geht unter. Leichter Wind geht und es ist unglaublich mild. Wir laufen ein ganzes Stück und lassen uns auf einer großen Düne nieder. 

Es ist Vollmond. Die ganze Landschaft ist zauberhaft. Absolute Stille. 

Mein Traum ist wahr. Etwas in mir löst sich auf. Ich weine.

 

Ali ist ganz da neben mir.

Er möchte mich in den Arm nehmen und zieht mich an sich ran. Ich löse mich vorsichtig daraus. Es ist alles gut und braucht keinen Trost. Wir sind ganz zugewandt und doch spüre ich meine Grenze. Wir laufen weiter und albern herum. Ali sucht meine Nähe und berührt mich öfter, ganz zart. Ich mag das sehr.

ich sage ihm irgendwann: "You are a nice men, I like your tenderness. I don't want more." Er versteht mich. Es bleibt weich zwischen uns. Er lässt mich das Auto suchen. Ha, ganz schön schwer. Mit der Orientierung in der Wüste kann ich noch üben.

 

 

Am Tag drauf kommt der jüngere Bruder von Faiçal aus der Wüste zurück. Faiçal bringt die Gruppe zurück zum Flughafen und kommt einen Tag später. Immer wieder fällt sein Name bei der Mutter und den Schwestern. 

 

Der Bruder kommt mit dem Motorrad. Er ist Anfang zwanzig und bildhübsch. Er strotz vor Kraft. Was für ein Ausdruck! Die Augen strahlen, der ganze Mensch strahlt.

Große Freude und Aufregung bei den Schwestern. Er schmeißt seinen Schlafsack in die Ecke und ist auch schon wieder verschwunden. Prinz der Wüste.

Er schläft lange, duscht und verwandelt sich vom Wüstenprinz zu einem modernen jungen Mann. 

Und ist auch schon wieder mit seinem Moped verschwunden.

 

Am Tag drauf geht es für ihn  wieder auf die Palmenplantage, dort arbeiten fast alle Männer.

 

Einen Nachmittag gehe ich mit ihm, Ali und den Schwestern zum Gucken auf die Plantage. Allein trauen sich die Mädchen dort mit mir nicht hin, wegen der Hunde und der Männer.

 

Die ältere Schwester hat Marketing studiert, jedoch bis jetzt keine Arbeit gefunden. Es macht sie manchmal depressiv sagt sie. Sie will weiter gehen und hat manchmal sogar richtig heiße Füße. Und dann lenkt sie sich ab mit Kochen und Fernsehen.

 

Die jüngere Schwester studiert noch.

 

Einmal macht sie die  Musik auf ihrem Handy an und zählt zwischen der Mutter, der Schwester und mir ab. Eine muss dann zu der Musik tanzen und wir haben sehr viel Spaß dabei. 

Ein andern mal kleiden sie mich traditionell ein, sie wickeln mich in ein schönes Tuch und behängen mich mit Schmuck. Dann tanzen wir und die Mama filmt uns dabei.

 

 

Am dritten Tag ruft Faiçal morgens an, er fährt von Djerba los und will nachmittags da sein.

Gefühlt warten wir den ganzen Tag. Er kommt am frühen Abend. Alle freuen sich.

Faiçal strahlt Ruhe und Besonnenheit aus. Ein feines Strahlen von innen.

Wir begrüßen uns französisch mit Küsschen rechts und links auf die Wange und ich genieße die zarte Berührung mit ihm, bleibe sonst erstmal raumgebend. 

Er hat seinen Schwestern und mir Armketten mitgebracht. Ich freue mich über die Geste.

Als er 16 war hat der Vater die Familie verlassen und lebt jetzt in einem anderen Land. Faiçal verdient das Geld für die Familie und seinen Bruder nimmt er dabei an die Hand.

Manchmal sehe ich die Krümmung in seinem Rücken und denke dann: ganz schön viel Verantwortung für einen jungen Mann.

 

Es ist Ende April und ungewöhnlich heiß. Morgen will ich mit Faiçal in die Sahara gehen. Es steht die Frage im Raum, ob es für mich zu heiß ist. Wir denken über Alternativen nach, doch nichts fühlt sich für mich stimmig an. Ich habe innerlich "noch" keine Wahl. Ich will unbedingt.......