11-Eine Nacht voll Angst



20 km vor Gafsa beginnt der Müll am Straßenrand mehr zu werden. Die Reste von geschlachteten Tieren sind auch dabei. Es riecht nach Verwesung. 
Gafsa liegt ein bisschen auf einer Anhöhe aus Sand und…..Müll. Der Ort scheint groß und ich fahre ohne Aufsehen durch.  Ich finde ein Café mit Wifi. Und den Kaffee gibt es sogar mit Milch 🤤 Es wird zwar geraucht, aber der Raum ist ziemlich offen und ich sitze an der Tür.
Auf dem Weg raus aus der Innenstadt sehe ich das erste lebende Kamel, leider vor der Schlachterei. 

Hinter Gafsa schließt sich eine größere Bergkette an. Ich halte an einem kleinen Restaurant, da ich Hunger habe. 
Der Inhaber ist ungewöhnlich auf Zack. Er bringt mir eine Limo mit Kräutern die super schmeckt und ein traditionelles Gericht.
Das Hühnchen wird frisch gegrillt. 

Er setzt sich öfter zu mir, spricht sehr gut Englisch und lebt eigentlich in Dubai und hat da eine Firma für Armbanduhren. 
Er ist für ein paar Monate bei seiner Familie hier und um irgendwas zu tun, hat er dieses Café eröffnet. 
Er lädt mich ein, bei seiner Familie zu übernachten. Ich möchte jedoch weiterfahren, es ist erst nachmittags und sonst wird die Zeit in Nouill so kurz. 

Er gibt mir die Reste in einer Tüte mit. Meine Dosen sind voll und so tue ich die Tüte hinten aufs Rad. Ich fahre danach immer wieder ein bisschen schnell, das ich ins Schwitzen komme, ich bin ein wenig unter Druck, da hier noch soviele Ortschaften sind. 
Dann werde ich zweimal von der Polizei angehalten. Passkontrolle und Fragereien. Coronatest oder Quarantäne interessieren hier keinen. 
Immer wieder die Frage wo ich übernachte. Bei der 2. Kontrolle erzähle ich draußen im Zelt. Die Polizisten sind völlig erstaunt. 
Das sei gefährlich. 
Ob ich keine Angst vor den Hunden hätte? 
Da meine ich noch großspurig ich sei ja schließlich von Tunis auch hierher gekommen…. Und wenn ich Angst hätte dann würde ich beten, „So so“, er zieht die Augenbrauen hoch. „Beten?“
Sie lassen mich fahren. 

Der Ort endet bald und ich sehe mehrere Hunde und habe noch immer das Essen auf dem Rad. 
Das ist ja wie ein Köder….ich schmeiße das gute Essen weg und seh noch die Hunde hinlaufen.

Es wird einsamer und ich  biege auf einen Sandweg ab. Es ist hügelig. Entfernt sehe ich noch eine Nomadenunterkunft und schiebe dran vorbei. Dann kommen die Bahngleisen, zu hoch um sie mit dem Rad zu überqueren. Die Sonne geht gerade unter. 
Hier ist es gut, glaube ich. Es ist leise….

Kaum bin ich im Zelt, höre ich sie bellen. Es sind mehrere. 
Ich mache noch schnell das Außenzelt auf beiden Seiten zu.

Lege mich hin und bete. 

Irgendwann kommen sie näher. Und bellen und bellen. Es müssen drei bis vier Hunde sein. Und die Angst breitet sich in mir aus. 

Was ist wenn sie mich angreifen…..was kann ich tun? 

Ich will jetzt eigentlich nicht als Hundefutter sterben 😅





Ich könnte versuchen, sie zu vertreiben. Ich bin jedoch auf selber Höhe wie sie, wenn ich das Zelt öffne. 
Sie bellen aggressiv. Und ich habe nur meine Klamotten im Zelt. Nichts Hartes, was ich Schmeißen könnte. Mein Rad liegt gekippt am Boden. Die Essenstasche unten. Es ist alles dicht eingepackt und eher Trockenfutter. Das wird sie wahrscheinlich nicht interessieren. 

Ich bleibe „einfach“ ganz ruhig liegen. Sie entfernen sich ein bisschen, ich entspanne mich. Und dann kommen sie wieder, ganz nah ans Zelt. So geht das über Stunden. 

Ich versuche mich zu öffnen, mich mit ihnen zu verbinden, als Teil der Bande. Das Göttliche liebt uns, ich mache mich weit, um das zu empfangen. 
Ein Hund ist direkt neben meinem Zelt und bellt schon seit Stunden kontinuierlich. Er wird ruhiger. Irgendwann legt er sich hin. Ich stelle mir vor ihn zu streicheln. 
Ich glaube, das er einschläft und träumt, er macht leise jaulende Geräusche. 

Es hält nicht allzu lange an…..dann geht das Gerenne und Gebelle wieder los. 

Und dann muss ich mal. Was mach ich nur? 
Der Druck in meiner Blase wird immer größer. 
In eine Tasche pinkeln? In meinen Wäschebeutel? Der müsste wasserdicht sein. Ich kann mich nicht überwinden….wenn ich nicht bald handel ist Hose und Schlafsack nass. 

Und dann sind die Hunde ein bisschen vom Zelt entfernt. Ich nutze das und mache auf der anderen Seite das Innenzelt auf. Es ist nicht viel Platz bis zum Aussenzelt, Platz genug um in den Sand zu pinkeln 😅
Was für eine Erleichterung. Ich lege mich wieder leise hin und als sie wieder kommen, riechen sie es sofort und schnüffeln und bellen noch lauter.
 
Ich warte auf die Morgendämmerung…..es wird ruhiger ….doch ich höre sie noch. 

Ich packe langsam ein und horche immer wieder. Fühl mich etwas gerädert und zittrig. 
Dann höre ich schmatzende Geräusche. Was ist das? Die Geräusche kommen aus der Fahrradtasche. Ich schaue immer wieder oben aus einem handbreit geöffneten Schlitz zu meinem Fahrrad rüber. Hat sich da ein Tier in die Tasche gefressen? Eine Wüstenmaus vielleicht….ich gucke und gucke und sehe nix. 

Ich trau mich zitternd aus dem Zelt und öffne die Fahrradtasche, alles ist heile und geschlossen. Da sehe ich einen schwarzen  Käfer weg krabbeln. Es könnte sein das er das war. 
Ich packe schnell ein und schiebe Richtung Straße. Und sehe zwei von den Hunden auf einer Sanddüne stehen, dahinter ist die Nomadenunterkunft. Ein junger Mann kommt mit einem Hirtenstock auf mich zugeschlendert. Seine Augen offen und weich. Seine Schwester kommt auch, ob ich nicht auf einen Tee zu ihnen kommen möchte? 
Ja, ich bin noch ganz zittrig. Sie wohnen zu fünft in einer Höhlenartigen Unterkunft. Die Schwester hat Trisomi 21. 
Ich erzähle mit Händen und Füßen von meiner Nacht und sie haben sehr viel Mitgefühl. Oh nein, warum ich nicht zu ihnen gekommen sei, ich hätte bei ihnen schlafen können. 
Bei mir lösen sich die Tränen und der Stress im Körper. Sie machen mir Tee und stellen mir selbstgebackenes Brot hin. Ich krieg kaum was runter. 
Der Papa sagt immer ich soll essen, Mama sieht das ich noch ganz geschockt bin und hält ihn zurück.  
Irgendwann beruhige ich mich. Die Schwester und ihr Bruder versucht über Google Tranlater mit mir zu kommunizieren. Wir gehen nach draußen und die Ziegen und Schafe werde rausgelassen, der Sohn geht mit ihnen los. 


Ich soll noch bleiben wünscht sich die Tochter. Sie schreibt es mir mehrmals. Ich habe gefühlt keine Zeit mehr und möchte weiter. Der Tag ist noch jung.
Mama und Papa schauen mir tief in die Augen, ich weiß, ich bin da sehr willkommen. 🙏🏻


Als ich zum Himmel schaue, sehe ich die dunklen Wolken vom Gebirgszug langsam auf uns zukommen und ich zögere einen Moment. 

Nein, ich habe Regensachen dabei und bin bereit…..

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