Teil 18 über Polizeikontrollen, Auseinandersetzungen und eine Nacht im Hotel

 


Am nächsten Tag fahren wir über Stunden durch Olivenplantagen. 

In einem kleinen Dorf kaufen wir Wasser nach. Wissen wirft die alten Plastikflaschen auf die Straße, ich hebe sie auf und nehme sie mit....

 

 



Irgendwann kommen wir an einer „offiziellen“ Müllkippe vorbei. Der Müll ist ist in die Landschaft gekippt und fliegt im weiten Umkreis umher. "So ist Tunesien", meint Wissem, es macht für ihn keinen Unterschied, wo er den Müll hin schmeißt. 
Ich sehe es. Es schmerzt mich, ich produziere selber den Müll und sehe hier täglich die Auswirkungen. 


Wissem fährt immer noch relativ langsam und so fahre ich öfter vor und warte dann auf ihn.
Auf den Plantagen sehe ich eine Gruppe zusammen arbeiten und die Olivenbäume beschneiden. Ich vermute eine Berberfamilie. Die Frauen haben bunte Kleider an, sie sind alle unterschiedlich alt und die Kinder arbeiten auch mit. Unter den Bäumen liegen Tücher. Ein paar Männer beschneiden und alle anderen sammeln die Zweige ein.

Ich stehe nicht weit entfernt auf der Straße und warte auf Wissem. Ein junger Mann wittert ein Geschäft mit mir. Er fragt, ob ich Zigaretten habe. Ich könnte ein Foto gegen Zigaretten tauschen. Nein, ich habe keine Zigaretten und möchte auch kein Foto kaufen. Ich hätte eher Lust mitzuarbeiten. Für ein Gespräch ist jedoch die Distanz auf verschiedenen Ebenen zu groß und er spricht kein Englisch. 
Er macht eine Handbewegung, die ich als „Ich soll mich vom Acker machen, wenn ich nicht bezahle“ ....deute.
Die Kinder winken mir zu und die Frauen strahlen mich freundlich an. Ich bleibe auch offen. Ich möchte keine Geschäfte mit dem jungen Mann machen und bleibe in Frieden dort stehen und warte auf Wissem, der dann auch schon bald kommt. 

Irgendwann kommen wir in eine Polizeikontrolle. Die Männer sprechen nur mit Wissem und wirken auf mich sehr unfreundlich. Wir sollen im nächsten Dorf die Pässe auf dem Polizeirevier vorzeigen. Bei mir baut sich Unwilligkeit auf.

Wir müssen etwas suchen, bis wir das Revier finden. Wissen redet sehr lange mit den Beamten. Ich bitte darum, das Gespräch in Englisch zu führen, aber sie können und wollen nicht. Wissen übersetzt mir hinterher etwas.

Wir sollen uns in jedem Dorf bei der Polizei melden. Wissem macht sich Sorgen.

Beim nächsten Revier geht er alleine mit den Pässen rein, da wir die Räder draußen stehen lassen müssen. 
Er kommt verschreckt wieder raus. Der Beamte dort hat ihn angeschrien. Er dürfte mit mir nicht reisen, er bräuchte eine Lizenz dafür. Sie würden ihn einsprerren, wenn er das nicht lassen würde.  Bis Sfax dürften wir noch fahren und dann nicht weiter. 

Ich ärgere mich sehr, das ich nicht allein rein gegangen bin. Mit mir wären sie wahrscheinlich anders umgegangen. Für dieses Mal ist es zu spät. 

Kurz vor Mahrès kommen wir sehr nah ans Meer. Es ist schon Nachmittags und wir schauen nach einem Pausenplatz. Der erste Weg endet in einer Sackgasse und dann kommen wir an einer kleinen Hütte vorbei, wo zwei Männer vor der Tür sitzen, wahrscheinlich Fischer, denn am Strand liegen kleinere Boote. Wir finden einen kleinen Pad hinter ihrer Hütte und einen guten Platz mit Blick aufs Meer zu Picknicken.

Dann laufen wir bis zum Wasser. Das ist garnicht so einfach, hier gibt es viel Schlick, Schaum und Müll. Ich würde gerne mal schwimmen gehen, das Wasser ist sauber, aber der Strand sehr dreckig, ich kann mir nicht vorstellen barfuß durch den Schaum zu laufen.

Wir albern herum und  finden ein altes Boot.




Wir wollen heute in Mahrès eine Unterkunft nehmen, um mal zu duschen. 

Wir fahren weiter und finden tatsächlich einen Sandweg am Meer. Ich bin begeistert. 
Mahrès ist nicht mehr weit, wir haben Zeit und es ist schön ruhig hier.

Manchmal können wir fahren, manchmal schieben wir.

 

 

 

 

Wissem ist noch langsamer, als sonst. Ich warte auf ihn, wir schieben einen kleinen Strandabschnitt entlang, überwinden einen Wasserzulauf und eine kleine Straße beginnt. 

Die Hauptstraße können wir von hier durch die Häuser sehen. Mich zieht es am Meer entlang, ihn zieht es zur Straße. 

Er sieht meine Begeisterung und meint „ok go here“ Ich bin froh, wir fahren weiter...aber wo bleibt er? 

Ich biege um die Ecke ohne auf ihn zu warten, aber die Straße endet in einer Sackgasse und ich drehe und fahre zurück. 

 

Wissem ist sauer, warum ich nicht warte, er sei doch kein Hund. 

Ich spürte schon vorher seinen Widerstand und habe sein erstes Ja (aus)genutzt. 

Wir fahren zur Straße zurück. Er ist sauer und schimpft laut und deutet mich. 

Es tut mir leid, dass er sich so übergangen fühlt. 

Er ist gekränkt und redet nicht. Ich lasse ihn. Wir fahren in den Ort rein und finden auf den ersten Blick keine Unterkunft.

 

Erst am Ende des Ortes gibt es ein Hotel am Meer. Ich gehe rein und erkundige mich nach den Preisen für Einzel- und Doppelzimmer und entscheide für ein Doppelzimmer mit Einzelbetten. Das ist günstiger und das kriegen wir hin, bin ich mir sicher.

 

Wir können die Räder in den Innenhof schieben. Dabei bekommen die Männer von der Rezeption mit, das Wissem Tunesier ist.

Ihm wird gesagt, das wir dann doch nicht in einem Doppelzimmer übernachten dürften. Ich werde sauer und gehe zur Rezeption zurück, und mische mich ein. Das wäre ja wohl meine Verantwortung und Entscheidung. 

Sie geben nach, aber ich müsste das Zimmer vorher bezahlen.  Wissem steht auch an der Rezeption. Ich gehe zurück zu den Rädern und hole das Geld. Ich bin etwas aufgebracht und unkonzentriert und es dauert bis ich es abgezählt habe. Wissem wird ungeduldig und schnauzt mich an, dass ich ihn das machen soll. 

Nein das geht mit meinem Stolz nicht, ich sage nichts und mache es in Ruhe zu Ende und bezahle. Wir gehen aufs Zimmer und streiten dort. 

Für ihn ist es peinlich als Mann, das ich bezahle und ich wie langsam ich sein und er steht da rum.

 

Und ich möchte mich nicht vor anderen von ihm anschnauzen und mir mein Geld aus der Hand nehmen lassen.

Wenn es für ihn schwer ist, kann ich damit leben, das er in manchen Situationen bezahlt. Das müssten wir dann vorher abmachen.

Und dann belassen wir es dabei. 

Jeder geht erstmal duschen. Was für ein Genuss. Und alles ist sauber hier und ich genieße es. 

 

Und als wir ins Dorf gehen, um etwas zu essen zu kaufen, reden wir nochmal in Ruhe.... übers Bezahlen prinzipiell.

 

Nach dem anfänglichen "Mache alles selbst und schmeiß das Geld zu Fenster raus" wird es versöhnlicher zwischen uns. 

 

Er möchte gerne mein Geld schützten und wenn ich bezahlen gehe, hat er die Befürchtung, das ich immer zuviel bezahle, da Leute es ausnutzen, das ich Ausländerin bin. Ja und das kann auch gut sein. Und bei kleinen Beträgen in den Dörfern ist es mir wichtiger lebendig zu sein und Erfahrungen zu machen. Mir ist lieber, er bringt es mir bei, so das ich ein Gefühl dafür bekomme, anstatt das er alles macht. 

 

Und hier in Mahrès machen um 16 Uhr gerade alle Cafés wegen Corona zu. Wissem ist besorgt und wir wissen garnicht ob es im Hotel etwas zu essen gibt. Kurz vor Ladenschluss bekommen wir in einem kleinem Geschäft  noch in Fett gebackene Teigtaschen und setzen uns damit ans Meer und schlendern zurück zum Hotel. Wissem möchte ins Zimmer und ich möchte alleine draußen sein und gehe in die andere Richtung am Meer spazieren. Er warnt mich vorher nochmal...und später bereue ich, das ich es mir zu Herzen genommen habe.

 

 

Hier gibt es tatsächlich so etwas wie einen Strand. Männer stehen hier mit ihren Autos und unterhalten sich oder angeln.

 

 

 

 

Es ist anders zu Fuß unterwegs zu sein. Auch hier falle ich auf, ich grüße vorsichtig und die meisten Männer grüßen verhalten zurück. 

 

Dann kommt ein Mann auf einem Moped die Straße oberhalb des Strandes entlang gefahren und steuert auf ein Bude zu, die direkt am Strand steht. Dort stehen noch andere Männer mittleren Alters. 

Er ruft mir von weitem zu, ob ich die Frau mit dem Rad sei und lädt mich ein mit ihm und seinen Freunden ein Bier zu trinken. 

 

Ich habe Hin-und Her-Zustände und höre Wissem sagen "Sei vorsichtig!"...doch eigentlich habe ich ein Ok Gefühl....gehe dann aber nicht hin, vielleicht auch weil Alkohol getrunken wird.....und ärgere mich später, über meine Vorsicht. 

 

Ich schlendere bis zum Ende des Strandes und zurück. Irgendwann fährt ein Mann in einem Auto neben mir her und spricht mich auf Französisch an. Ich sage das ich kein Französisch spreche, habe direkt ein Nein Gefühl beim ihm. Er starrt und ich bleibe freundlich und drehe ab und gehe schneller um ihn abzuhängen. Ich habe keine Angst. Es kommt ein Bereich, den er mit Auto nicht befahren kann. 

Er parkt an der Straße und ich gehe weiter. Als ich mich später nochmal umschaue, ist er weggefahren.

Gott sei Dank.

 

Das Hotel ist schon in der Nähe und ich setzte mich auf einen Stein. Auch auf dieser Seite ist es möglich mit dem Auto zum Strand zu fahren. Nicht allzu weit entfernt sind zwei junge Männer mit einem neueren Wagen und machen Selfies von sich mit dem Auto. 

Lustig, ich mache Selfies mit Rad, die mit Auto. 

 

Als es dunkel ist, gehe ich wieder ins Hotel. Von der Rezeption haben sie Wissem im Zimmer angerufen, wir könnten abends im Restaurant etwas zu essen bekommen. Er möchte gerne. Ok. Let's do it. 

Er übernachtet das erste mal in einem Hotel. Ich denke von mir, das ich wenig angepasst bin und muss dann aber feststellen, das es nicht stimmt. 

 

 

 

 

Seine Neugier und Freude ist herrlich. Er spricht laut und benimmt sich wie immer. Legt das Handy auf dem Tisch. Manchmal schäme ich mich ein bißchen und die Freude überwiegt dann immer wieder. Es gibt eine Vorspeise: Was ist das? 

Ich bin ich gerührt und erlebe ihn wie ein ungeschliffenen Diamanten.