Teil 17 No work - no money - no woman

 

 

Am nächsten Morgen gibt es eine kleine Bescherung....nun ist Wissems Hinterreifen platt. 

 

Diesmal macht es mich nicht nervös und ihn auch nicht. Nach dem Frühstücken und Packen schieben wir also Richtung Straße und er kriegt das Rad schnell raus gebaut und den Schlauch gewechselt. Wir schaffen es auch den Reifen wieder rein zubauen, nur ist die Felgenbremse jetzt fest. Wir rätseln herum, wie man sie wohl einstellt. 

 

Dann beherzige ich einen Tip von meinem Sohn und schau mir ein YouTube Video dazu an. Du meine Güte, ich werde unruhig, will ich mir das alles anschauen?

 

Da hält auch schon 'Mohamed', die obligatorische tunesische Männerhilfe auf dem Moped. Er schaut es sich kurz an, holt sein Werkzeug unter dem Mopedsitz hervor und löst die Stellschraube und stellt den Bremszug ein....ja, wie logisch....und dann düst er auch schon weiter..... 

 

und wir radeln los.....

 

 

 

 

Das nächste Dorf liegt direkt an der Straße und wir brauchen Wasser, Baguette und Käse.

 

Wir können uns nicht so recht entscheiden, wo wir anhalten wollen und sind schon am Ende des Dorfes angelangt. Wissem möchte Fleisch. Mir scheint, als wenn hier fast nur Fleisch verkauft wird, die toten Schafe hängen vor vielen Türen.

 

Ich denke erst, das Wissem hier essen will. Der Grill ist an und das Fleisch wird zubereitet.

Ich bin nicht hungrig. Und will schon mal die restlichen Sachen einkaufen. 

 

Ich soll warten und er will es machen. Ich möchte gerne allein fahren, ich mag es in Kontakt zu kommen. Mit ihm zusammen, reden die Leute nur mit ihm.  

Als ich zurück komme, ist das Fleisch fertig und wird eingepackt....und wir essen es später zum Salat und Baguette. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Später setzen wir uns noch in ein Café,

laden die Handys auf und trinken Kaffee.

 

 

   

 

 

 

 

 

 

Wissem kommt aus einer kleinen Stadt im Nordwesten von Tunesien. Selbst Tagelöhner Jobs sind selten und die Arbeitslosigkeit und Armut sehr hoch.

Ab und zu hat er Arbeit, doch meistens nicht. Und dann gibt es tagelang trocken Brot.....denn ohne Arbeit - kein Geld und ohne Geld - kein Essen und letztendlich ohne Geld keine Frau, denn um eine tunesische Frau heiraten zu können, muß Mann etwas vorweisen, um die Frau oder Familie versorgen zu können.

 

Hunger kennt er schon lange. Seiddem er 15 Jahre alt ist, lebt er mit dem Großvater allein. Die Eltern sind mit den Geschwistern an einen Küstenort gezogen und arbeiten für den Tourismus. Der Großvater hat Alzheimer. Er wollte aus seinem Haus nie weg und Wissem ist bei ihm geblieben. Wissen schätzt ihn sehr und hilft ihm so gut er kann. Er wünscht sich Arbeit, Familie, ein eigenes Haus und Auto...nichts ungewöhnliches....doch für ihn scheinbar unerreichbar. 

 

 

 

 

Wir fahren heute ein bißchen weiter als gestern ...  

Und halten irgendwann Ausschau nach einem Platz zum Zelten.

Ich sehe viele Schäfer mit ihren Herden unterwegs und ich deute es als gutes Zeichen einen geeigneten Platz zu finden.

 

Wissem ist mürrisch...da er müde ist und weil ich deutlich sage 'no relationship'....

 

Wir biegen auf einen Sandweg ab, in diesem Gebiet gibt es viele kleinwüchsige Bäume.

Er will nicht so recht bleiben und vermutet größere, gefährliche Tiere hier. 

Irgendwo hatte er ein Schild gesehen. 

Ich sehe keinen Unterschied zu der letzten Nacht. Wir sitzen herum, er raucht....irgendwann kommt ein Schäfer vorbei und die beiden unterhalten sich. Der Schäfer meint auch, hier sei es sicher, aber in den Bergen soll es Terroristen geben.

 

Wir bleiben.

 

 

 

 

Wissem ist attraktiv, ich schätzte ihn und mag seine Nähe.

Ich habe mich jedoch schon vor längerem entschieden mit meinem Bedürfnis nach Nähe keine Kompromisse und Tauschhandel mehr zu machen, wie zum Beispiel Nähe gegen Sex zu tauschen.  

Sex möchte ich nur in Beziehungen und ich unterscheide zwischen Beziehungs- und Freundschaftsliebe.

 

Ich fühle sein Herz, seine Hingabe und empfinde Liebe und Freundschaft für ihn.

 

Ich war 17 Jahre verheiratet. Ich habe in meiner Ehe viel gelernt und ich bin jetzt glücklich geschieden.

Meine Kinder sind erwachsen. Ich bin frei und mache das, was mir am Herzen liegt.

Ich werde nicht nochmal heiraten, auch nicht um ihn zu retten. 

 

Trotzdem kann ich sein Bedürfnis verstehen.  

No work- no money - no woman

... und die Hoffnung ich hole ihn da raus. Ich kann nicht.

 

Vor ein paar Jahren war ich kurz davor einen jungen Mann, der vor der Abschiebung stand, zu heiraten. Ich hatte mich auf ihn eingelassen und wollte mir die Wahl lassen ihm zu helfen. Meine Kinder waren entsetzt und sind mit ihren Urteilen über mich und ihn in Kontakt gekommen und ich mit meiner Angst, die Verbindung zu meinen Kindern zu verlieren.

Letztendlich habe ich mich nach längerer Bedenkzeit dagegen entschieden. Es hätte für mein Leben nicht gestimmt. Ich konnte ihm den Gefallen nicht tun und ich konnte meinen Kindern diesen Prozess nicht ersparen. Und das war gut so.

 

 

Wissem ist enttäuscht und verschließt sich. 

Ich kann es aushalten und kann trotzdem in der Liebe bleiben. 

Und irgendwann öffnet er sich wieder....💗

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Reinhard V. (Freitag, 10 April 2020 18:57)

    Deine Mitteulungen berühren mich und zeigen mir,daß ich mit meinen Sorgen gut aufgehoben bin. Letztlich stellt sich das Problem Nähe in jeder Ehe, auch wenn sie nicht geschieden ist.

    Gelegentlich werde ich Dir zwei eigene Erfahrungen im Jahr 2019 darlegen.

    Danke ! Dir alles Gute, Reinhard

  • #2

    Heide Nordmann (Samstag, 11 April 2020 00:05)

    Liebe Cordula, neben den wunderbaren fotos und Beschreibungen berührt mich deine Offenheit gerade auch bei diesem Thema.