Teil 6 Ankunft in Tunesien

 

Was habe ich herrlich geschlafen. Die Fähre hat die halbe Nacht an Sizilien geankert. Und als ich morgens aufs obere Deck zum Yoga machen gehe, ist es wunderbar warm. 

Meiste Zeit bin ich alleine oben, manchmal  steht einer von den tunesischen Männern an der anderen Seite. 

Auf dem Weg hoch musste ich ein bisschen suchen und bin über das DECK gelaufen, also da wo ich eigentlich schlafen wollte, da war schon eine schöne Stimmung, viele Männer haben Karten zusammen gespielt. Draußen stehen auch viele und rauchen und irgendwie bin ich ein bisschen befangen, seit dem Vorfall gestern, wo mir einer ans Bein fasste. Für mich fühlt sich das garnicht gut an und damit meine ich meine eigene Befangenheit. Und ich entscheide das Gute zu sehen, offen zu bleiben und trotzdem klar zu sein. Als ich wieder runter gehe und grüße ...ist komplett andere Stimmung, viele lächeln mir unaufdringlich zu, einige erkennen mich von gestern wieder und wir plaudern ein bisschen. Ich bin wieder in meiner Energie und Kraft.

 

Dann gibt es selbstgemachtes Frühstück und Tee auf dem oberen Deck mit Nancy. Ich schmeiße den Gaskocher an. Bei der Fähre fragt kein Mensch was man dabei hat. 

 

 

Ich sitze lange oben in der Sonne, obwohl es ganz schön windig ist. Es ist genial, die Weite, die Farben des Meeres, Reste von felsigen Land, vielleicht noch Sizilien.

 

Irgendwann setzt sich Shila aus England zu mir. Sie ist vielleicht Ende Dreißig, sie hat lange dunkle lockige Haare und so schiefe Zähne wie ihr Freund. Mir fällt es auf, da es in Deutschland kaum noch Menschen mit schiefen Zähnen gibt. Ich hatte gestern bei Sonnenuntergang von ihr und ihrem Partner Fotos draußen gemacht. Viele Fotos, an mehreren Stellen. Sie waren sehr happy über die Bilder und fühlten sich gesehen. 

Seelisch meine ich natürlich. 

Er ist Tunesier und sie fahren beide zu seiner Familie. Für sie ist es das erste Mal das sie England verlässt. Selbst in London war sie das erste mal. Sie sind den ganzen Weg mit dem Auto gefahren , manchmal haben sie in Hotels geschlafen, aber meistens im Auto. 

Sie wollen heiraten. Die Einladung nach Tunesien gab es schon lange. Sie lassen sich beide jedoch sehr viel Zeit mit dem Kennenlernen. 

 

 

Sie erzählt, das sie früher sehr stark auf ihre Mutter gehört hätte, bei allen wesentlichen Entscheidungen und seitdem sie gestorben ist , sehr orientierungslos war. Ihren Partner hat sie in der Stadt in England kennengelernt, in der sie beide leben.  Durch ihn hat sie ihr Leben gefunden. 

Für sie ist diese Reise sehr aufregend. Sie spricht nur Englisch und ist  froh mit mir sprechen zu können. 

Aus ihrer Familie kann niemand nach Tunesien zur Hochzeit kommen. Sie lädt mich zu ihrer Hochzeit im März ein. 

Vielleicht passt es ja und ich bin zurück von der Radtour. 

 

Mittags schlafe ich nochmal zwei Stunden in der Kabine und bin ganz ruhig und gedankenlos, gleite in den Traum , wie schon lange nicht mehr. Nancy entspannt sich mit Hörbüchern. Sie besucht die Familie von einem tunesischen Freund bei Tunis und ist auch schon aufgeregt. 

 

Ich packe alles zusammen. Es ist später nachmittag und wir wissen nicht genau wann wir ankommen. 

Für mich ist das leichter. Es lohnt sich einfach nicht diese ganzen Gedanken vorher zu machen. 

Trotzdem mache ich es immer wieder. Und doch merke ich auch eine Veränderung. 

 

 

 

Nancy und ich gehen raus und treffen Zofia aus Polen und nehmen sie mit aufs obere Deck, da war sie noch nie, weil sie Höhenangst hat. Mit ein paar Tricks schafft sie es. 

Sie erzählt ein bisschen über Befindlichkeiten und ihren Bewertungen anderen Mitmenschen in Schlafkabinen gegenüber. 

Es ist, als wenn wir uns alle schon lange kennen.

Sie zeigt mir wie sie ihren Chech für den Kopf bindet und wir albern herum und gehen unten einen Kaffee zusammen trinken. Auf dem besagten DECK ist jetzt viel los, auch viele Familien sind hier, die sonst in den Kabinen verschwunden waren.

Wir füllen gemeinsam Einreisescheine aus und sind nicht sicher, was wo hingehört und diskutieren....ein Tunesier der mit am Tisch sitzt und ganz gut Englisch spricht, hilft uns und meint irgendwann „Egal, die machen nur einen Stempel drauf und schmeißen den Zettel weg. Wir Deutschen wären viel zu korrekt 😂😜 Im Hafen beobachte ich dann genau das.

 

 

Und dann geht die Sonne unter und wir stürmen wieder aufs obere Deck....was für ein Himmel und Tunis in Sicht. Ich genieße es so anzukommen. 

 

 

Die ersten stehen schon an, um auf die unteren Decks zu kommen. Ich frage an der Rezeption wie ich es mit dem Rad machen soll. Der Mann spricht französisch und ich verstehe ihn nicht. Also warte ich ab. Das Adrenalin steigt. 

 

 

Ein Chinese der mit mir und anderen draußen steht und wartet ist besorgt. Er kommt zwar aus Paris, fürchtet aber das sie ihn wegen der Gefahr des Corona Virus nicht einreisen lassen. 

 

 

Wir werden dann im Gang auf dem Weg zum Ausgang....mit einer Wärmebildkamera fotografiert, um zu schauen, ob jemand Fieber hat. 

Alle Passagiere gehen auf dem selben Weg wie die Autos raus. Ich finde mein Rad wieder, Nancy hab ich mittlerweile aus den Augen verloren. 

 

Ich hole das Rad aus einer Ecke raus und bepacke es wieder. Neben mir steht eine alte Frau , komplett in Tüchern eingehüllt. Sie schaut interessiert  zu und hält mir das Lenkrad. Und dann segnet sie mich. Es ist wie ein warmer Regen vom Himmel. 

Ich bin hellwach...und irgendwann gibt einer den Startschuss , ich soll fahren....zwischen zwei LKWs und dann fahre ich die riesige Rampe runter und durchs Hafengelände. Gänge rauf und runter. 

Dann werden die Taschen und das Fahrrad einzelnd geröntgt, also alles wieder runter. Alles kein Problem mit meinem Gepäck.

 

 

 

Im Hafengebäude, das hier mehr wie eine Flugempfangshalle ist,  treffe ich auch Nancy wieder. Sie wird hier abgeholt. Ich tausche Geld, tunesische SIM Karten gibt es hier jedoch nicht. Und dann will ich los. Es ist gut auf dem Rad zu sitzen. Die Luft ist toll. Die Autos kommen kleckerweise von der Fähre, aber letztendlich gibt es nur einen Weg zur Hauptstraße. 

 

Ich finde meinen ausgedruckten Google Map Zettel nicht wieder,  ich muss ihn bei der Gepäckkontrolle verloren haben. Aber ich habe den Weg grob im Kopf und Tunis ist schließlich auch ausgeschildert. Die meiste Zeit fahre ich auf der Schnellstraße. Es gibt zwar einen Seitenstreifen, da liegen jedoch öfter Scherben, also bleibe ich möglichst auf der Markierung. Manche LKWs kommen ganz schön nah und ich bitte immer wieder um Schutz. 

Ich fahre immer gerade aus bis zur Medina, da treffe ich zufällig einen Polizisten. Ja, das Hostel ist nicht weit. Er schickt mich mit einem scheinbaren Bekannten mit, der meint, „I‘m the Police now“ 😅 um dann ein paar Hundert Meter weiter mich einem Mann zu übergeben, der in den Geschäften der Altstadt arbeitet. „He is the Chef“ Chef scheint immer gut und vertrauenswürdig. Doch ich traue ihm. Er hat eine riesige Taschenlampe und die Gassen hier sind wirklich dunkel und schmal, voller Müll vom Tagesgeschäft und die Kehrer sind unterwegs. Und es ist wirklich immer nur gerade aus und einmal rechts abbiegen. Aber ohne den Strassenzettel oder Google Maps schwer. Ich hätte mich allein nicht so weit rein getraut in die Gassen. 

 

Und dann stehen wir auch schon vor dem Hostel. Alhamdülah.