Teil 1 Afrika ich komme....auf dem Landweg nach Tunesien

 

 

Umstieg in Essen in einen ICE. Ich sitze im Zug nach München und bin zittrig.  Ich bin ängstlich und erlaube es mir. Ich genieße es.

 

Gestern habe ich noch soviel für meine Reise nach Tunesien mit Rad geregelt. Irgendwann habe ich mich in den Schultern eng gemacht. 

Ich musste meine Gedanken immer wieder schön an die Hand nehmen und mir keine Sorgen um all die Details zu machen. Aber manchmal gingen meine Gedanken direkt in Handlung über. Wie finde ich mich zum Beispiel in Tunis zurecht? Schaue mir auf Google Maps den Weg von der Fähre zum Fahrradladen an, wo ich für Wissem, der mich auf dem Rückweg von der Wüste bis nach Tunis begleiten will, ein Fahrrad ausleihe. Ich habe zwischen Fährankunft und Ladenschluss 2 Stunden Zeit. 15km auf direktem Weg. Kann sein das eine Schnellstraße dazwischen ist, auf der ich nicht fahren kann, dann müsste ich ein Binnengewässer umrunden, das wären 30km......

 

Und wie komme ich dann zum Hostel? Ich verschaffe mir einen Überblick und den Rest lasse ich.

Die erste Nacht für heute habe ich über  Airbnb in Bologna gebucht. Der Vermieter hat mir gestern eine detailreiche, bebilderte Beschreibung zugeschickt, wo welcher Schlüssel versteckt ist, dem widme ich mich erst heute im Zug, übersetzte die englischen Beschreibungen, lade diverse Bilder von Ablageplätzen runter, mache mir Notizen. Ich stelle mir vor, ich löse einen Kriminalfall, Kommissar Kniepel 😜🙃

 

Mein Zugticket endet in Bologna. Ab morgen habe ich 2,5 Tage Zeit, um bis nach Salerno (unterhalb von Rom) zu kommen. Dort legt die Fähre nach Tunis ab. Die Zugfahrt mit Rad dauert 12 Stunden und ich schau dann mal, wieviel ich am Tag Zug oder Rad fahre und ob es vielleicht sogar schon warm genug zum zelten ist.

  

Heut morgen bin ich etwas knapp zum Bahnhof gekommen. Ich fahre das erste Mal mit „soviel“ Gepäck, also vorne und hinten Fahrradtaschen, Zelt auf dem Gepäckträger und Rucksack.

Mein Freund Siddig und die drei Jungs erwarten mich schon am Bahnhof, in der Frühe und in der Kälte. Siddig‘s Frau hat mir für unterwegs sudanesische Teigtaschen mit verschiedenen Füllungen gebacken. Wow🙏🏻💗 

 

Der Zug steht schon am Gleis und ich bin dankbar für den Fahrstuhl und das ich das Rad ganz einfach in die Regionalbahn schieben kann.

Ich bin immer noch etwas außerhalb von mir, im Regelmodus. Als ich da so in der Zugtür stehe und die Jungs mich anschauen, fühle ich plötzlich mein Herz wieder. Es ist wie ein inneres Strömen durchs Herz mit gleichzeitiger Rührung, wie kurz vorm Weinen. Ein schönes Gefühl. Siddig sieht mir an, das sich mein Zustand verändert. Ich deute es in seinen Blick. 

 

Und dann geht es auch schon los, es ist vor 6 Uhr morgens in Deutschland und der  Zug noch leer. Mit mir im Fahrradabteil ist ein Herr Mitte 60. Wir kommen schnell ins Gespräch. Er ist unterwegs zum Flieger nach Kuba. Dort war er schon öfter und freut sich auf die Warmherzigkeit dort. Das kann ich nachfühlen. Er hat sich nach einer schmerzhaften Trennung und Insolvenz überlegt wie er sein restliches Leben verbringen möchte. Er muss auf jeden Fall weiter arbeiten und da er das nicht für die Miete tun möchte, ist er auf einen Campingplatz gezogen, Blockhütte mit Bad. Durch sein sparsames Leben, kann er reisen. Die Bitterkeit über das Verlorene hat er abgelegt. Und beim Abschied meint er, das ich einen Menschen glücklich gemacht habe. Da hat sich die Reise ja schon gelohnt 😉☺️

 

In Essen dann der erste Umstieg mit Rad und Gepäck. Ich bin total aufgeregt. Fahre auf dem Bahnsteig vor dem ICE auf und ab und finde mein Abteil nicht....ein paar Minuten habe ich noch. Ich finde einen Schaffner, der behilflich ist. Das Abteil hätte ich auch nicht finden können. Ich habe die Reservierung für den nächsten Zug in der Hand. Tja, wer entspannt lesen kann, ist im Vorteil. Ich schaffe es rechtzeitig und zu dieser Jahreszeit sind die Fahrradabteile so gut wie leer. Nach mir kommt nur noch ein sympathischer Rennradfahrer. Er meint er sei bißchen neidisch auf meine Tour, er würde am liebsten mitfahren, sein Fahrrad sei leider nicht passend. Er hätte schon länger eine Einladung von einem tunesischen Freund in sein Land. Das Fliegen würde  ihn bislang abhalten. Die Möglichkeit mit einer Fähre nach Tunesien zu reisen, findet er sehr reizvoll.

 

Im Zug reguliert sich so langsam meine Ängstlichkeit. Ich werde ruhiger.

In Frankfurt steigen viele Leute zu. Eine junge Frau fordert ihren reservierten Platz ein, auf dem ich sitze. Und ich nehme meine Reservierung auch in Anspruch. Als ich einstieg war noch soviel Platz frei und die junge Frau, die auf meinem Platz saß, unterhielt sich angeregt in der 4 er Runde am Tisch, sodas ich woanders Platz nahm. Wir hatten ohne Worte vereinbart, das ich komme, wenn die anderen Plätze gebraucht werden. 

 

Viele ältere Herrschaften aus Bayern steigen in Frankfurt ein. Wir sind auf dem Weg nach München. Die Stimmung steigt. Die ersten Biere sind getrunken und einer von den Männern macht Butterbrote für die anderen, bzw. Brote mit Wurst, also keine Scheiben, eher Blöcke Wurst, doppelt so dick, wie die Brote. Sie würden mich auch damit versorgen, da ich so interessiert schaue, aber ich bin ja mit den Teigtaschen versorgt. 

So bleibt es beim gemeinsamen Lachen. Brote zu teilen, also für andere zu schmieren, sowie versorgt zu werden, kann eine sehr liebevolle Gemeinschaftsaktion sein. 

Ich sehe sehr viel Freude über diese Wurstbrote und ein Herr bestätigt: „So tolle Brote würde noch nicht mal seine Frau ihm machen.“ 😜

 

Der Umstieg in München ist ganz leicht, die Gleise auf einer Ebene. Den Waggon finde ich schnell mit der richtigen Nummer und zeitlich habe ich genug Spielraum. Als ich auf dem Bahnsteig schon anfange die Packtaschen abzumachen, da das Rad zu schwer zum reintragen ist, öffnet der Schaffner eine große Schiebetür und schließt mein Rad mit Gepäck bis Bologna ein. Da macht es auch nichts, das mein Sitzplatz vier Waggons weiter ist. 

 

Die Weiterfahrt durch die Alpen ist grandios und habe schöne Gespräche mit einem jungen Engländer aus Manchester, der in Deutschland arbeitet und seine Freundin in Italien besucht. 

 

Es dämmert schon, als wir Trentino in Südtirol erreichen und ich habe so schöne Erinnerungen  an diese lieblichen Berge bei Meran....

 

Der Anteil der italienischen Mitreisenden wird größer. Sehr laute Telefongespräche scheinen nicht ungewöhnlich. 

Ich mag die Sprache.

 

Eine Engländerin ermahnt ihren lebhaften Sohn immer wieder zur Ruhe „schschsch...listen listen....“ Erst als sie in Verona aussteigen, sehe ich das es Zwillinge sind , vielleicht 6 oder 7 Jahre alt. Sie stehen im Gang neben mir und die Mutter weist sie an auf die Lady mir gegenüber acht zu geben die eifrig auf ihrem Computer in einer Wahnsinns Geschwindigkeit Texte tippt. Die Jungs sollen aufpassen, sie nicht mit dem Rucksack anzustoßen. Und sie gehen ganz schön vorsichtig vorbei. 💗

 

Ankunft in Bologna. 

Ich komme aus dem Staunen nicht mehr raus. Die Stadt quillt über vor Geschichte. Und das auf engstem Raum. Tore, Türme, Torbögen, wunderschöne alte Architektur. Ich weiß nix davon und genieße es.

Ich hab mir den Weg zur Unterkunft in mehreren Abschnitten von Google Maps abfotografiert, als ich noch Internet hatte. Ich muss ein bisschen suchen und am Ende jemanden  fragen, hab es fast gefunden, an der letzten Straße bin ich vorbei gefahren. Mein Gastgeber ist gerade noch da, mein Rad lass ich in einem kleinen Innenhof und schleppe meine Taschen über eine winzige Treppe in den 3. Stock.  

Gute Nacht aus Italy 💗

 

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