Schwestern-Zeit in der Wüste

 

 

Die Sonne ist schon untergegangen, als ich Nouail mit dem Fahrrad erreiche.

5 Tage war ich mit einer Frau von Djerba hierher unterwegs. 

Heute ist es der erste Tag, an dem wir lange fahren. Die anderen Tage haben wir vor Sonnenuntergang Ausschau nach geschützten Plätzen zum Übernachten gehalten und das kleine Zelt unter Olivenbäumen oder hinter kleinen Mauern unbemerkt aufgeschlagen. 

 

Es war alles dabei... Freiheit, Freude...wunderbare Kontakte und ja....zweimal auch Angst in Situationen, die fast zu entgleiten schienen. 

Einmal hat die Wut meiner Mitfahrerin geholfen und einmal meine Ruhe. 

 

 

Faiçal kommt uns in Nouail mit dem Moped entgegen und bringt uns zum Haus der Familie. Nouail ist nicht groß, aber groß genug für kleine Cafés und ein paar Läden, die ich nicht kenne. Als ich das erste und letzte mal hier war, haben ich mich mit den Schwestern und der Mutter hauptsächlich in ihrem Zuhause aufgehalten oder wir waren am Dorfrand spazieren und einmal auf einem Markt in der Nähe.

 

Nun radel ich in der Abenddämmerung durch die Gassen hinter Faiçal hinterher, der mit dem Moped ein ganz schönes Tempo vorlegt. 

Ich freue mich sehr ihn und die Familie wieder zusehen. 

Ich war vorher ein bißchen ängstlich, wie er damit klar kommt, das ich mit dem Fahrrad fahre.

Er wollte das nicht und hatte auch kein Verständnis dafür. Und das muss er auch nicht. Ich muss mich verstehen.

Die Distanz zu ihm ist nun größer, jedoch der Kontakt in mir stärker. Damit kann ich leben. 

 

 

Wir bleiben zwei Nächte bei der Familie. Dann breche ich früh morgens mit Faiçal und einem Fahrer im Jeep auf.

Wir binden die Fahrräder aufs Dach und fahren zurück nach Djerba. Die Räder hatte ich dort ausgeliehen und bringe sie zurück. 

 

 

Wir holen dann die Frauen nachmittags von Djerba ab, stehen lange an der Fähre, trinken zwischendurch einen Tee in einem kleinen Laden. 

 

Es ist schon dunkel, als wir in der Wüste ankommen. Es warten 4 Männer, die Frau die mit mir mit dem Rad gefahren ist und 6 Kamele auf uns. Sie haben  das Lager gerichtet und gekocht. Faiçal hat mit unseren Männern Lichtzeichen verabredet. Er weiß ungefähr wo sie sind. 

 

Die Spuren hören irgendwann auf, wir fahren und umfahren im zackigen Tempo das Gestrüpp und Gebüsch am Rand der Sahara und der Fahrer nimmt mutig die ein und andere Sanddühne. Wir sehen Lichtzeichen. Die Dünen werden höher und dann stecken wir plötzlich fest. Die Lichter kommen näher.... doch ....... es sind nicht unsere Männer. 

 

Es sind ein Dutzend Shisha rauchender junger Männer.

Die packen dann auch sogleich mit an den Wagen wieder frei zu buddeln. Und schon steckt der andere Wagen fest. Wir nehmen wieder Fahrt auf. Faiçal telefoniert. Im Arabischen hört es sich schnell nach Schreien an. Die ein oder andere  Frau hat noch ein Tip. 

Ich bin da zurück haltend, er wird es regeln. Das wird nicht das erste mal sein.

 

Immer wieder fahren wir uns fest. Steigen aus, buddeln mit, schieben. Die Jungs sind immer wieder da und helfen.

 

 

 

 

 

Und da tauchen plötzlich "unsere Männer" aus der Dunkelheit auf.

Wissem und Bigos fahren außen als Trittbrettfahrer bei dem vorderen Jeep mit und navigieren uns durch die Sanddünen.

Und dann sind wir da. 

 

Das Feuer brennt. Die Suppe und der Tee ist heiß. Den meisten schmeckt es. Und danach helfen die Männer gute Schlafplätze zu finden und den Platz etwas vorzubereiten für die 1. Nacht in der Wüste.

Wir haben Schlafsäcke mit, Matratzen und zusätzliche Decken bekommen wir. 

 

 

Das morgendliche Erwachen in der Wüste:

 

Manch eine ist schon wach. Das Feuer brennt  wieder.

Und auch das Frühstück ist in Arbeit. Handmade und lecker.

 

 

 

 

Dazu gibt es Öl zum Eintunken und  Schmelzkäse, Honig und süße Speisen.

Auch Kaffee und Tee machen die Männer in relativ großen Mengen für uns. 

Kaffee wird hier traditionell nur selten getrunken und Tee in winzigen Bechern, stark und mit viel Zucker. Wir bekommen große Becher und auch Teller und Besteck, das dürfen wir nach dem Essen mit Sand abwaschen. 

 

 

 

Meistens starten wir so den Tag: den Körper....dehnen, entspannen, zittern.... und in die Spannkraft kommen... mit dem Geist arbeiten...

in Verbindung kommen mit sich selbst....und den anderen ... über Meditationen 💗

 

 

Wo ist meine Grenze, um offen sein zu können mit jedem und jeder?

 

Mit wem bin ich mehr verbunden und mit wem weniger?

Welche Anteile dieser Person haben damit zu tun und was hat das mit mir zu tun?

Kann ich mich annehmen?

 

 

Die Wanderungen machen wir meist schweigend.  

 

 

 

Nachmittag ist  Zeit für Shiatsu oder das zu tun, was man möchte oder nichts.

 

 

 

 

 

Stille & Kommunikation in der Wüste mit Herz, Trommel und Gesang

 

 

 

 

Alle kommen schnell an und in den Kontakt und die Freude miteinander. Die Männer sind eine wahre Inspiration, wie sie zusammen arbeiten, fröhlich und respektvoll.

Die Abende verbringen wir ausgelassen am Feuer mit leisen und lautem Gesang, mit Trommel und Tanz. 

 

 

 

 

 

Nach ein paar Tagen  gehen wir Frauen mit Faiçal, Wissem und Ahmed zu einem Brunnenplatz. Das Lager steht schon, ein paar Frauen bleiben da.

Die Dromedare bekommen dort Wasser und wir haben die Möglichkeit zu "duschen"....

Die Männer duschen nicht....später frage ich Faiçal warum nicht....es ist Ihnen natürlich viel zu kalt.

 

Wir machen einen Frauen Hamam....wir sind nur nicht die einzigen hier. Ein Auto steht auch am Brunnen und ein paar Männer füllen sehr viel Wasser in Kanistern ab. Das kann noch dauern....wir befüllen große Plastikflaschen und wir Frauen verschwinden hinter einem kleinen Haus....eine Frau zieht sich aus, eine hält die Klamotten und die andern kippen ihr das Wasser über den Körper, über den Kopf, waschen die Haare, holen Wasser nach...

Als ich an der Reihe bin und nackig in der Wüste stehe, setzt sich das Auto auf der anderen Seite am Brunnen in Bewegung...

große Aufregung.... alle Frauen schnappen sich ihre Handtücher und schützen mich damit vor den Blicken.

Das Auto fährt im größeren Bogen vorbei....hält an....wartet ....

und fährt dann weg ...und wir beenden fröhlich unseren Frauen Hamam.

 

 

 

 

Auf dem Rückweg fängt es an zu winden. 

Ich laufe zwischen Faiçal, Ahmed mit den Dromedaren. Sie singen und ich spüre wie sich alles verbindet, der Gesang und die Wüste.....und ich kann nicht mehr unterscheiden wo der Gesang herkommt....alles wird eins.

 

 

 

Der Wind nimmt zu und der Sand fliegt immer mehr.....Sandsturm.

Es hat seine eigene Intensität....im "bei sich sein" und im Kontakt. 

 

 

 

 

Die Jüngste verkaufen wir am Ende für 50 Dromedare und feiern ein tolles Fest. 

 

 

 

 

Eine Frau traut sich an einem Abend ...leise ein Wüstenlied anzustimmen.

Anfangs mit brüchiger Stimme kommt sie in die Kraft...es berührt mich.

Das Lied singt sie dann auch zum Abschied, als wir schon im Auto sitzen und die Wüste Richtung Djerba verlassen.

Ich habe Tränen in den Augen und bin dankbar für diese intensive Zeit.

Danke an meine deutschen Schwestern und tunesischen Brüdern. 

 

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